me4sunny
07-11-2003 16:08
Der zweiter Schweizer hatten einen wirklich schönen Namen – Dorian. Ich fing jede Mail mit seinem Namen an und wiederholte ihn mindestens ein Mal im Text. Dorian, Dorian, Dorian… Unsre Mails waren kurz und erzählten mehr über die Orte an denen wir gerade geschäftlich unterwegs waren als über uns selbst. Irgend wann gab es dann auch einen Nachnamen und einen dezenten Hinweis mal im Internet nachzuschauen mit wem ich denn zutun habe. Eigenartig, ich wäre nie auf die Idee gekommen mich als ein Markenprodukt auf dem Heiratsmarkt der Altgewordenen Yuppies der 90ger zu positionieren. Aber langsam drang sich die Erkenntnis auf, dass dies mein strategischer Fehler war.
Auf jeden Fall stieß ich schnell auf mindesten 15 vollgeschriebenen Google-Seiten. Alle hatten direkt oder inderekt mit meinem schweizerischen Internet-Gangster zu tun. Es gab auch Bilder, die sein „Großwerden“ eindrucksvoll dokumentiert haben. Innerhalb weniger Minuten lernte ich Dorian in seiner Jugend und seinen gesetzten Jahren kennen. Mit nicht mal 30 wurde er Doktor, mit knapp 30 veröffentlichte er sein erstes Buch, dass ich immer noch bei Amazon erwerben konnte. Die Rezensionen über das wohl zum Standartwerk geworden Internet-Marketing Handbuch waren hervorragend. Ein gut aussehende Mitdreiziger mit einem schönen Namen und dem Willen nach Deutschland zu reisen! An diesem Punkt konnte ich mich nicht mehr dem Traum von einer weißen Hochzeit entreißen. Zu all dem Überfluss musste ich gerade einer Kollegin gegenüber sitzen, die in einigen Monaten heiraten wollte. Ein meiner rechten Seite saß dann auch noch eine nette junge Dame, die vor kurzem geheiratet hat und viele ausführliche Tipps, Bilder, Errinerungen und Erfahrungen mitzuteilen hatte. Umgeben von all dem zuckersüßem Geschwafalle aus cremweißer Seide bereitete ich mich auf mein erstes Date in der Welt der virtuellen Glücksvermittlung vor. Drei Wochen nach dem wir uns im Internet kennen gelernt haben war es dann so weit. Dorian kam, sah… und verlor.

An dieser Stelle möchte ich mich doch bei allen Fotografen dieser Welt bedanken. Euch gehört meine herzlichste Bewunderung! Denn es bedarf eines Talentes jemanden ohne jeglichen Charisma oder zumindest einer ausgeprägten Persönlichkeit als einen „Helden unter uns“ abzulichten!

Dorian war farblos und ödete alleine durch seine Anwesenheit an. Ich behielt seinen süßen schweizerischen Akzent und den doch so schönen Namen für immer in Erinnerung. Den unpassenden Rest zu verdrängen halfen die zwei Margaritas, die ich in seiner nicht auffallende Begleitung nach dem Abendessen in einem 3 Sterne Restaurant einnahm. Wir behielten einen regen Mail Austausch noch über Monate bei. Um diesen Mailverkehr zu beleben versuche ich es mit SMS. Aber das hat bei Dorian leider nicht funktioniert. Mit diesen abgehackten Zwischenrufen kam er leider nicht zu recht – er brauchte ganze elektronische Sätze. Denn dies war seine Welt. In den kurzen elektronischen Notizen war er charmant, gewitzt und äußerst attraktiv. Seine Wort- und Themenwahl entzückte mich immer wieder auf neue. Solange ich kein Gesicht dazu vorstellen musste genoss ich diese moderne Unterhaltung. Aber irgendwann musste ich feststellen, dass ich in meiner Wahrnehmung doch der reellen Welt zugetan bin und kaum einer virtuellen Partnerschaft die treue halten könnte. Wir trennten uns schmerzlos. Um weitere Versuchungen auszuschließen verband ich seine Adresse auf die schwarze Liste…
Çàêðûòü