me4sunny
07-11-2003 16:09
Ich bin seit nun mehr als einem Monat auf meiner Glückssuche. Meine letzte Trennung im wirklichen Leben war ausgeheilt und der reger Mailverkehr mit romantischem Hintergrund verhalf mir zum Gefühl des erfüllten Singel-Daseins. Ich bin viel routinierter geworden. Für die erste Mail habe mittlerweile Standartantworten gespeichert. Die Mails wurden kurz und wenig informative. Ich habe mir eine nette Strategie ausgedacht. Denn eins haben die virtuellen Dates mit den reellen Dates gemeinsam – die Grundregeln sind die gleichen. Da ich es hasse einem erwachsenen unbekannten Mann in umständlichen Sätzen zu erklären warum ich gerade ihn kontaktiert habe – habe ich es aufgehört jemanden als erste anzumailen. Verstehe doch eine die Männer! Erst schreien sie so laut sie nur können wie toll, einzigartig, lieb, gutaussehend, zärtlich und gebildet sie sind. Und dann bestehen sie rigorose darauf von mir zu erfahren welche ihrer Zuckerseiten mir den so angetan hat, dass ich sie angeschrieben habe… Dies wollen sie ausführlich mit all mir zur Verfügung stehende Barmherzigkeit und dem sprachlichen Vermögen hören und lesen. Wie kann man denn gleichzeitig so selbstsicher und verängstigt sein? Ich habe selten soviel seelischen Elends pro Pixel getroffen. Ein sozial minderbemittelter Fall hat mir besonders angetan. Nach meiner Erfahrung mit den beiden Schweizern, entschloss ich mich in Ländern zu versuchen, die weniger durch das Gebirge abgeschottet sind. Mehr Weltoffenheit und Reiselust versprach ich mir davon. Und da kam schon mein nächstes Opfer. Es war ein erfolgreicher junger Mann. Seine Mails waren nett, seine Stimme am Telefon angenehm. Wir verabredeten uns auf einen Drink in einem Berliner Cafe. Michael war Ex-Unternehmensberater, der es bis zu seinem 35 Geburtstag ziemlich nach oben geschafft hat. Er saß neben mir auf einem Hocker angespannt und abwartend. Wie auf einem Kundenmeeting stellten wir uns abwechselnd vor. Beide beherrschten die Kunst in knappen, beiläufig fallen gelassenen, Sätzen uns zu positionieren. Mein Gegenüber war ein Marathonläufer er beherrschte fließend 4 Fremdsprachen, wobei da auch solche schwierige Exoten wie Russisch dabei waren. Er schrieb seinen Doktor in Physik als er in St. Petersburg promovierte und zum gegenwärtigen Zeitpunkt lernte er die Gebärdensprache, da sein Bruder taub-stumm war. Sein Oberkörper war in ein enges schwarzes T-Shirt gezwängt und die braungebrannte Haut seiner Oberarme schimmerte mich jedes Mal an, wenn er seine Muskeln anspannte. Das Flirten gelang uns nicht wirklich. Das Gefühl an einem Vorstellungsgespräch teilzunehmen konnte ich über den ganzen Abend nicht loswerden. Gespannt wartete ich auf die Frage wo ich denn meine Schwächen und Stärken sehe. Zum Glück kamen seine Freunde, die spanischen Kommilitonen zur Besuch hatten, dazu. Zwischenzeitig hat Michael es geschafft mir sein aller neueste Handy zu präsentieren, alle seine Funktionen zu erläutern und zu erwähnen, dass sein altes Handy jetzt bei eBay zu kaufen geben. Er musste sich selber als ein echter Charmeur vorgekommen sein, als er mir doch aller Ernstes vorschlug den Link auf dieses bezaubernde Angebot zu mailen – vielleicht möchte ich es ja erwerben. An dieser Stelle muss ich gestehen, dass meine doch meistens träumende Russische Seele erschrocken aufgeschrieen hat. Als eine waschechte Russin fände ich es angebrachter dieses Handy geschenkt zu bekommen. Nicht das ich es brauchen würde, ich hätte es auch mit Sicherheit abgelehnt. Es ging nicht darum einen Gegenstand zu ergattern und mit diesen Beute nach Hause zu gehen, es ging viel mehr um die Geste. Vielleicht sollte man beim Finanzamt einen neue Abschreibungsart einfügen: Sonderbelastungen im Falle eines Reproduktionsvorhabens. Darüber würde ich doch glatt die Reisekosten, etwaige Zuwendungen und Spesen locker absetzen können. Ich könnte aber mir Visitenkarten anfertigen lassen auf denen lediglich meine privat Adresse abgedrückt wäre mit einem dezenten Hinweis, vielleicht als Wasserzeichen, damit es direkt von dem Unterbewusstsein meines Gegenübers aufgesogen wird: „Sie sind Privat hier. Geschäftstüchtigkeit nicht erwünscht“. Ob ich dann mein Recht auf privaten Umgang einklagen könnte?
Çàêðûòü